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Die Vorräte prägen die Seelen der Kinder

Wie schauen unsere Vorräte aus? Zu viel, zu wenig? Fürsorglich, sorglos?

Nimm dir von allem Essbaren mit und leg dir einen Vorrat an! Dir und ihnen soll es zur Nahrung dienen.
Gen 6,21

Große und kleine Gläser mit eingelegten Gurken, Tomaten, Zwiebeln, Paprika, Blumenkohl, Gemüsepaste, Chilisauce, Tomatensaft füllen die Regale in unserem Vorratskeller. Eine köstliche Farbenpracht im Winter! Am Boden stehen Fässer mit Kraut, von der Decke hängen Knoblauch, zu Zöpfen geflochten, und herrlich duftende Würste. Alles selbst geerntet, selbst gemacht. Unsere Mitarbeiterinnen in Garten, Landwirtschaft und Küche haben viel zu tun, auch einzelne Männer sind dabei. Angelernt werden Jugendliche aus Roma-Familien, die keine Ahnung haben von Gartenbau, Tierpflege, vor allem aber von der Idee, so viel Vorrat anzulegen, dass wir alle – die Kantine für Mitarbeiter und Kinder in den Sozialzentren – über den Winter kommen. Nun staunen sie selbst am meisten über das, was sie geleistet haben. Und freuen sich beim Mittagessen, wenn ihre Speisen aufgetischt werden und den Leuten schmecken. Sie kennen die Vorratshaltung auch deshalb nicht, weil sie gar keinen Keller oder Kühlschrank haben, wo sie Lebensmittel aufbewahren könnten. Und wollten sie etwas vor ihrer Hütte anbauen, würde es von Kindern und Nachbarn zertrampelt oder gestohlen werden. Es gibt auch keinen Küchenschrank mit Lebensmitteln. Wenn etwas da ist, kommt es in den Topf auf das Feuer und wird sofort gegessen.
Und so riefen denn auch, als im ersten Lockdown absolutes Ausgangsverbot verordnet war und das Militär kontrollierend durch die Dörfer stapfte, die Familien aus den Hütten: Wir haben Hunger! Tagelöhner konnten nicht mehr zur Arbeit gehen, es gab kein Geld und nichts zu essen. Die Bürgermeister suchten Hilfe, sie wussten nicht, wie sie die Familien in der Roma-Siedlung versorgen sollten. Wir bereiteten Hilfspakete vor: Lebensmittel aus unserem Keller, wir backten Brot, besorgten Öl, Mehl, Reis. Mit einer Sondergenehmigung durften wir uns bewegen und diesen Familien etwas zu essen bringen.
Jetzt sind wieder alle frei, unsere Leute verstehen und schätzen die Arbeit neu. Anpflanzen, ernten, Vorrat anlegen – das brauchen auch sie.

Mich freut unser Keller mit den erwirtschafteten Vorräten. Was es dazu noch braucht, besorgen wir im dreißig Kilometer entfernten Sibiu. In den Supermärkten erschlägt mich das Angebot. Und mehr noch unsere Leute, wenn sie mitkommen. Die Gegensätze zwischen Überfluss und Armut sind schwer zu ertragen. Vor allem, wenn da und dort so viel weggeworfen wird. Die Vorratshaltung, die das Überleben garantiert und sorgsam mit den Gütern umgeht, ist eine hohe Kunst. In ihr zeigt sich Fürsorge für die Familie. Die Erziehung ist eine Gratwanderung zwischen zu wenig und zu viel. Das ist mit dem Auftrag Gottes gemeint, als Noach die Arche baute. „Nimm dir von allem Essbaren mit und leg dir einen Vorrat an! Dir und ihnen soll es zur Nahrung dienen.“ Noach soll dafür sorgen, dass das Leben für Mensch und Tier nach der Katastrophe weitergeht.

Wie schauen unsere Vorräte aus? Zu viel, zu wenig? Fürsorglich, sorglos? Die Vorräte prägen die Seelen der Kinder zwischen Hunger und Überfluss.