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Die Phase nach der Begeisterung

Was macht dir Angst?

Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf. Und siehe, Angst und großes Dunkel fielen auf ihn.
Gen 15,12

„Der hat eine Glatze im Mund!“ So spotten bei uns die Kinder über Leute, die keine Zähne mehr haben. Von Moise sagten sie, er schaue wie eine alte Frau aus. Sein Leben lang war er auf der Straße, und schon als junger Mann verlor er einen Zahn nach dem anderen. Oft fielen sie einfach aus. Zum Zahnarzt ging er nur, wenn der Mund schon voller Eiter war. Der zog ihm einfach das Übel heraus, statt eine aufwändige Behandlung durchzuführen. Am meisten störte Moise, dass er vieles, was ihm schmeckte, nicht mehr essen konnte. Oft hatte er Bauchschmerzen, weil er das Essen hungrig hinunterschlang, ohne zu kauen.
Im Herbst überredeten wir Moise, er solle sich die letzten zwei Bruchstücke ziehen lassen, dann bekomme er ein Gebiss. Es dauerte lange, bis er die Angst vor der Spritze überwunden hatte und zum Arzt ging. Der erste Schritt war geschafft. Die Fäden wurden gezogen und das Gebiss angepasst. Die Aussicht, in einen Apfel zu beißen oder ein Schnitzel zu essen, stärkte ihn. Dann kam der große Tag: Moise bekam seine neuen Zähne! Noch vom Zahnarzt aus schickte er ein Foto, auf dem er lachend die Zähne zeigte. So sah er um vieles jünger aus. Der Zahnarzt erklärte ihm, er brauche jetzt viel Geduld. Er müsse Übungen machen beim Sprechen und beim Kauen, es werde in den ersten Wochen drücken und weh tun. Dann müsse man das Gebiss noch ein wenig anpassen. Das hörte Moise schon gar nicht mehr, er war so stolz auf sein elegantes Aussehen, dass er die kommenden Hürden nicht wahrnahm.
Am selben Tag begann der Gaumen zu schmerzen. Moise versuchte zu kauen und biss sich auf die Lippen, auf die Zunge. Nichts schmeckte mehr. Erschöpft ging er ins Bett. In der Nacht glaubte er zu ersticken. Wieder ohne Zähne, berichtete er von wahren Todeskämpfen. Er lasse sich nicht umbringen! Ich drängte ihn, das Gebiss am Anfang zumindest eine Stunde am Tag zu tragen und dann immer länger, bis er sich daran gewöhnt habe. Moise blieb im Zimmer, weinte. Er glaubte, dass wir ihn wegschicken würden, weil er die teuren Zähne nicht aushielt. „Lieber gehe ich wieder auf die Straße als dieses Monster im Mund!“, fluchte er. Schon wollte er seine Sachen zusammenpacken, nur das Gebiss sollte zurückbleiben, das wolle vielleicht ein anderer.
Tage später steckte er sich das Ungeheuer dann doch für eine Stunde in den Mund, weil er den Kindern beim Abendessen gefallen wollte. Die Panik war überwunden, beißen konnte er aber noch nicht.

„Angst und großes Dunkel fielen auf ihn“, so heißt es von Abram. Ein Albtraum lastete auf ihn im Schlaf nach einem ereignisreichen Tag. Von Gott hatte er die Verheißung für sein Leben empfangen. Bei Tag erfasste ihn die Begeisterung für die neue Aufgabe, nach Sonnenuntergang aber stürzte er in den Abgrund der Angst. Würde er schaffen, was auf ihn zukam? Moise spuckte die Zähne aus. Er brauchte Zeit, um Kraft für die Übungen zu bekommen. Dann erst ließ ihn sein neues Erscheinungsbild das Essen genießen.

Nach großen Einschnitten gibt es oft eine Phase der Dunkelheit und Unsicherheit. Wenn das Neue vom guten Geist ist, ist die Angst vielleicht notwendig, aber vorübergehend.
Angst vor Großem ist gesund. Was macht dir Angst?