Zum Inhalt springen

Aussichtslos – und doch nicht!

Momente, in denen ich kein Licht mehr sehe, wo ich mit jemandem nicht mehr weiterweiß. Was hält mich?

Und Gott sprach zu Noach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet habe.
Gen 9,17

Geschickt rollt Cornel seine Decke mit dem Leopardenmuster zusammen und stopft sie in das Abluftrohr, das hässlich aus dem Grün herausragt. Luft kommt hier nicht mehr durch, aber seine warme Decke ist tagsüber gut versteckt. Hier, im kleinen Park vor dem Bahnhof, schläft Cornel. Seine sonstigen Habseligkeiten, eine Flasche, ein Karton, ein Plastiksack, bleiben im Gras liegen. Er taumelt, hat zugeschwollene Augen. Drogen fressen sein Leben, Tag und Nacht. Wir gehen zum U-Bahn-Eingang, dort wärmen sich seine Freunde. Nepotul liegt wie leblos auf einer Mauer, die dünnen Arme und Beine angezogen. Jetzt rührt er sich. Er starrt mich mit gläsernem Blick an, kein Wort, er greift in die Tasche und zündet einen Zigarettenstummel an. Calu taucht auf, heute trägt er ein langes schwarzes Gewand mit einem weißen Priesterkragen. Wo hat er das her? Gefunden, sagt er. Er war lange im Gefängnis und wartet auf die Entlassung seiner Freundin, sieben Jahre nach einem Raubüberfall. Wenn sie rauskommt, werden sie ein neues Leben anfangen. Das beteuert der „Priester“ unendlich oft und intensiv. Er kommt immer näher, wird immer lauter, durch seine Zahnlücken sprüht mir der Speichel ins Gesicht. Die anderen ziehen ihn zurück, er solle jetzt sein Maul halten. Calu hält sich selbst seine Rede, wird so seine Sehnsucht wahr? Cristina ist die Einzige, die keine Drogen nimmt. Sie hält hier durch, ziemlich burschikos. Wenn die Männer ihr an die Wäsche gehen wollen, haben sie schon eine Faust im Gesicht. Souverän schiebt sie die wankenden Gestalten zur Seite und schreit sie an. „Wir müssen jetzt für Ana Visu beten!“, ordnet sie an. Mitten in diesem Chaos stellen wir uns im Kreis auf, es wird einen Moment still. Kirche am Bahnhof. Die ausgemergelte Ana lag vor drei Tagen hier in der Ecke, tot. Heute wird sie beerdigt. Vater unser im Himmel, murmeln sie mit geschlossenen Augen vor sich hin. Jeder denkt dabei wohl auch: Wer ist der Nächste? Einige heulen. Sofort wird es wieder laut, George pöbelte Passanten an, die sich wehren. Beinahe artet es in eine Schlägerei aus, doch da kommt schon der Sicherheitsdienst und fasst den Betrunkenen hart an. Er hört nicht auf zu schimpfen und sackt am Boden zusammen.

Ich sitze mit den letzten Heulern auf einer Mauer und frage mich: Sind das noch Menschen? Als ich weggehe, bin ich wie erschlagen, höre aber doch ein fernes Rufen: Sie sind Kinder Gottes, sie sind unsere Schwestern und Brüder. Auch wenn ihnen nicht zu helfen ist.

Der Bund, den Gott mit Noach geschlossen hat, im Zeichen des Regenbogens, mag für die geschlagenen Menschen provokant wirken. Doch durch das Dunkel brechen Strahlen der Sehnsucht. Nicht aufgeben! Gott lässt die Hilflosen – sie und mich – nicht allein. Der Bund, den er „mit allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet“ hat, ist gültig und bleibt bestehen. Wie die Kirche am Bahnhof. „Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“, verspricht Jesus. Daran klammere ich mich und suche weiter, was ich für sie tun muss. Fest steht, sie sind in wilden Abenteuern meine Freunde. Sie beten mit mir, und ich bete für sie. Wie eine Mutter für ihr schwieriges Kind.