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Jetzt ist Rabenkinder kein Schimpfwort mehr

Salzburger Nachrichten, 06.09.2016
Josef Bruckmoser

Kein Schulabschluss, kein Lehrberuf, keine Arbeit. Roma-Kinder in Rumänien sind ausgegrenzt. Aber in mehreren Dörfern geht es aufwärts.

Die Raben haben keinen guten Ruf. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts wird „Rabeneltern“ vorgeworfen, dass sie ihre Kleinen vernachlässigen würden. Die Wissenschaft hat diese negative Sicht der Raben längst widerlegt. Aber die abschätzige Bedeutung von „Rabeneltern“ und „Rabenkindern“ ist bis heute geblieben.

Besonders in Rumänien. Dort ist „Cioara“ ein Schimpfwort für Roma. Wenn Kinder andere Kinder ärgern wollen, wippen sie mit den Armen und ahmen den Flügelschlag der schwarzen Vögel nach. So zeigen sie dem anderen: Du bist ein Kind von Rabeneltern, du bist ein Zigeuner.

Doch in drei Dörfern der Roma-Bevölkerung hat sich der Wind gedreht. Dort widmet Pater Georg Sporschill seine ganze Aufmerksamkeit den Kinder und Jugendlichen – und macht den Raben zum Symbol für eine bessere Zukunft. „In der Bibel haben die Raben dem Propheten Elijah Brot und Fleisch zum Überleben gebracht“, sagt der Jesuit. „Das ist eine völlige Umkehrung der Werte. Die Verachteten werden zu Lebensrettern“, der Rabe wird zum Hoffnungsträger.

Auf Ikonen der orthodoxen Kirche ist diese positive Sicht der Raben zu sehen. „Auf rumänischen Ikonen wird der Prophet Elijah oft mit dem lebensrettenden Raben dargestellt“, erläutert Sporschill. „Wir haben ihn daher als Symbol für unseren Verein ‚elijah‘ gewählt, weil wir das Zusammenleben mit der Roma-Bevölkerung suchen.“

Konkrete Orte des Geschehens sind drei Dörfer etwa 20 Kilometer von Sibiu (ehemals Hermannstadt) entfernt: Tichindeal (Ziegental), Hosman (Holzmengen) und Nou (Neudorf). In der vierklassigen Volksschule von Tichindeal gibt es nur noch Roma-Kinder. Die Rumänen, die geblieben sind, sind alt. Die anderen sind weggezogen. So wie die Siebenbürger Sachsen, die 800 Jahre lang hier gelebt hatten. Sie sind nach der Wende 1989 fast alle ausgewandert – und mit ihnen viele Arbeitsplätze. Slums haben sich gebildet, Familien hausen in Hütten ohne Wasser, Strom und Gas.

Seit der Gründung von „elijah“ im Jahr 2012 hat sich vieles zum Besseren gewendet. Armselige Hütten wurden winterfest gemacht, im Sozialzentrumgibt es warmes Wasser, frische Kleidung und eine warme Mahlzeit. Im April 2016 wurde die „Stella Matutina“, ein Bildungshaus für junge Roma, eröffnet. In Bäckerei, Weberei und Tischlerei sind Arbeitsplätze für erwachsene Roma geschaffen worden.

Von Salzburg aus unterstützen Christine Unterrainer und der frühere Spitzenpolitiker Wolfgang Radlegger die Projekte von „elijah“. „Ich war mehrfach vor Ort in Rumänien und habe gesehen, wie junge Roma durch diese Arbeit in ein neues Leben finden“, sagt Radlegger. „Dahinter steckt die große Fähigkeit von Pater Georg Sporschill, viele Menschen für diese soziale Arbeit mitten in Europa zu begeistern.“ Eine Arbeit, die auch dazu beitragen soll, dass die jungen Roma später sich und ihre Familien selbst ernähren können und nicht auf ein Dasein als Bettler angewiesen sind.

 

Buchpräsentation mit Pater Georg Sporschill
am Dienstag, 13. September, 19 Uhr,
Aula der Universitätsbibliothek,
Hofstallgasse 2–4, Salzburg.