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Was kann ich geben?

«Și eu vreau o stea!»1 sagt mir ein Augenpaar, ein wenig wütend und frustriert, weil es noch keinen Origami-Stern gemacht hat. Diese Spontanität in jedem Augenblick lässt mich lächeln. Dieses tägliche Geschenk, das mir die Kinder geben, um die ich mich in „Casa Sonja“, der Musikschule in Hosman, kümmere. Jeden Tag wird mir klarer, wie die reine Aufrichtigkeit unserer Begegnungen mich verwandelt und mir Lust macht, weiter und weiter zu gehen auf diesem Weg. Jeden Tag bin ich mir auch all dessen bewusst, was meine Beziehungen zu anderen mit sich bringen an Liebe, Anerkennung, Reichtum: eine Umarmung, ein Blick, ein Freudenschrei, wenn ich ankomme – und immer die Kinder, die in meine Arme springen, ein Lächeln, eine heimlich gegebene Zeichnung mit sehr genauen Anweisungen, wie sie aufzubewahren ist, in Sicherheit vor der Begierde der Anderen… Ich bin verzaubert von dieser schönen Heiterkeit. Angesichts allem, was ich bekomme, bleibt mir die Frage: Was kann ich geben?

Am Anfang habe ich Kinder unterrichtet, die Saxophon und Klarinette lernen. Die ersten Male hatte ich Angst, weil ich kein Wort Rumänisch konnte. Ich wollte nichts mehr, als ihnen alles geben und lehren, was ich wusste; doch nur mein Lächeln antwortete ihren fragenden und feurigen, ein wenig verstörten Blicken. Ich hatte Angst, nicht zu wissen, wie ich es richtig machen sollte, und ich hatte Angst vor ihnen. Wenn ich jetzt immer noch Angst habe, erinnere ich mich an die Worte, die mir am Anfang gesagt wurden: «Nu te teme.»2. Das wichtigste in der Beziehung ist die Ehrlichkeit, da Zärtlichkeit niemals ein Fehler sein wird.

Es gab diesen kleinen Jungen, der zum ersten Mal das Sopransaxophon lernte, und den ich bat, den Ton „La“ zu spielen. Es gelang ihm nicht, denn es ist schwer, die ersten Töne hervorzubringen. Er war überfordert und begann zu weinen. Ich habe ihn mit Zärtlichkeit betrachtet und versuchte, ihn spüren zu lassen, dass ich es gut mit ihm meine. Ich umarmte ihn, aber ich fühlte mich unglaublich ohnmächtig. Ohnmächtig, da ich keine Möglichkeit hatte, mich ihm gegenüber auszudrücken – so glaubte ich. Aber ich irrte mich.

Dann gab es diesen Tag, als ich erstmals beschloss, einige Noten auf dem Klavier in der Kapelle erklingen zu lassen. Die intensive Stille, die folgte, war von einem religiösen Frieden geprägt. Ich kann nicht beten, ich kann nicht predigen, ich hätte niemandens Seele durch meine Worte besänftigen können. Doch an jenem Tag spürte ich, dass ich mich durch meine Musik den Anderen hingeben konnte, dass ich meinen inneren Frieden und meine Aufmerksamkeit mitteilen konnte. Ich glaubte vorher, dass ich keine Möglichkeit hätte, mich auszudrücken. Aber ich irrte mich.

Gerade die Sprachbarriere war es, die mir zu begreifen erlaubte, dass das Wesentliche nicht in Worten zu finden ist. Meine ersten Beziehungen mussten ohne Worte auszukommen. Wesentlich ist die Sprache des Herzens, die unzählige Wege findet, um sich mitzuteilen, auch durch die Stille. Wer liebt, kann sich immer ausdrücken. Kinder sind das schönste Beispiel dafür. War ich zunächst frustriert, nur mein Lächeln und meine über die Klaviatur gleitenden Finger zu haben, schätze ich inzwischen, wie glücklich ich sein kann, mich Anderen auf diese Weise offenbaren zu können. Das ist die Sprache meines Herzens. Um was zu geben? Liebe, Anerkennung für die Kinder, die sich wunderbar entwickeln.

Ich komme morgens ins Sozialzentrum. Wenn ich höre, wie die kleine Sidonia begeistert ruft: «A venit Louise!», fühle ich mich, als wäre ich die privilegierste Person auf Erden, dass ich so geliebt werde. Alle brauchen wir Liebe, die Kinder und wir, die wir uns um sie kümmern. Wirklich wesentlich ist diese zwischenmenschliche Liebe, die uns wachsen lässt. Die uns fühlen lässt, dass wir existieren. Meine Existenz fühle ich durch die Anerkennung eines Anderen bestätigt. Das „Sein“ bedeutet: wahrgenommen und anerkannt werden. Wie kann ich das geben? Ganz für die Anderen anwesend seiend, ganz ich selbst seiend, ganz und aufrichtig.

Louise aus Frankreich, 24 Jahre, Volontärin 2020

1«Ich auch, ich will einen Stern.»

2«Fürchte dich nicht.»