Wo fühlst du dich wohl? Wie sieht dein Zuhause aus?
Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte.
Gen 2,8
Als wir aufbrechen, ruht das Dorf noch in Nebelschwaden. Wir sind eine lustige Truppe: Mitarbeiter, Volontäre und Kinder. Auf dem Weg schließen sich noch einige an, die gerade herumstehen, Kinder aus verwahrlosten Familien, verwildert, keiner kümmert sich um sie, sie kommen einfach mit. Im Rucksack haben wir Wasser, Brot und Würste. Unser Ziel ist die „Cabana“, eine Hütte am Hügel über dem Dorf. Die Kleinen springen übermütig vor und zurück. Zwei Füchse mit dicken roten Schwänzen kommen aus den Büschen, erschrecken und laufen davon. Unser Hund Buli beschleunigt ihre Flucht. Da entdeckt Narcisa im Schnee große runde Spuren: Bärentatzen! Die Tiere suchen Nahrung und kommen immer weiter zum Dorf hinunter. Die Mädchen kreischen vor Angst. Wir singen ein Lied, angeblich laufen die Bären weg, wenn sie Menschenstimmen hören.
Bald sind wir aus dem Nebel heraus und fühlen uns wie in einer anderen Welt. Die Sonne strahlt und bringt die erste Frühlingsluft in unsere Herzen. Eine Schafherde weidet auf dem Gelände, die wuscheligen Hirtenhunde bellen pflichtbewusst und rasen auf uns zu. Dreizehn große Viecher umringen uns. Sie kennen uns inzwischen, wir sind keine Bedrohung mehr für ihre Schafe. Unter ihnen ist auch Gruia, dessen Zähne sich einmal in meine Wade verirrt haben. Längst sind wir Freunde geworden, er begleitet uns in der Hoffnung auf ein Stück Wurst. Und da sehen wir schon die Cabana. Jetzt fangen alle Kinder zu laufen an, denn wer zuerst ankommt, darf sich etwas wünschen. Der Ausblick auf die Karpaten ist traumhaft. Von hier oben scheinen alle quälenden Probleme und Fragen klein. In der Hütte ist es kalt. Wir holen Holz und heizen ein. Alle helfen mit, selbst die Kleinen, die zuhause nicht einmal einen Tisch haben. Als die Würste gebraten sind, wird die wilde Bande still. Aufrecht und elegant sitzen sie da und beten, Gruia liegt zu meinen Füßen unter dem Tisch. Wenn uns auch die ungezähmte Horde oft überfordert – die Kinder in der Cabana sind eine Wonne, die mich für die nächste Woche stärkt.
Einen Ort der Wonne gab Gott dem Menschen. Er ließ ihn nicht allein, sondern schenkte ihm eine Umgebung, die ihm das Leben ermöglichte. Er pflanzte „in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte“. Geografisch vermutet man den Garten im Zweistromland, aber Eden ist eher symbolisch zu verstehen. Es bedeutet „Ort der Wonne“. Gott ist der Gärtner und gibt seinem Geschöpf Geborgenheit und Genuss in einem gepflegten Garten, wie ich ihn auf der Cabana mit den Kindern erlebte. Durch Tischkultur und Freundschaft fließt der „Strom der Wonnen“ in unser Zusammensein (Ps 36,9). Ich höre das Wort aus dem Hohenlied: „Esst, Freunde, trinkt, berauscht euch an der Liebe!“ (Hld 5,1c) Im biblischen Bild sind die Liebenden selbst der Garten, wenn die Frau den Mann einlädt: „Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse von seinen köstlichen Früchten.“ (Hld 4,16b) Solche Orte und Stunden geben mir ein Zuhause. Und noch mehr denen, die heimatlos sind: den verwilderten Kindern.