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Wer einen Menschen lehrt, erschafft ihn gleichsam

Was hast du selbst erworben? Von wem kannst du sagen, dass du ihn oder sie entdeckt und gewonnen hast?

Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und alle, die sie in Haran hinzugewonnen hatten. Sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen, und sie kamen in das Land Kanaan.
Gen 12,5

Es war Sommer, und wir planten in die Berge zu gehen, zum Balea-See in den Karpaten. Von dort aus wollten wir wandern, auf einer nicht zu gefährlichen Strecke, die auch Kinder bewältigen konnten. Volontäre aus Tirol fanden einen „kleinen Umweg“, um als Gebirgler auch ein wenig auf ihre Kosten zu kommen. Wir packten die Rucksäcke, Getränke, Obst, Wurst und Käse, Brot. Die Kinder wollten keine Jacken mitnehmen, doch die Bergerfahrenen erklärten ihnen, dass man sich auf Unwetter vorbereiten müsse. Die Gitarre durfte nicht mit. Am Vortag hatte es noch Streit gegeben, ob der Hund Simsalabim mitkommen solle. Für ihn sind die Berge ein Traum, aber ein Mädchen sträubte sich gegen ihn. Er würde sich im Auto auf alle setzen und ihnen mit der nassen Schnauze ins Gesicht fahren. Andere wiederum weigerten sich, die Wanderung ohne ihn zu machen. Am Schluss entschied der Hund selbst und sprang einfach ins Auto.
Am Morgen warteten wir auf Florin. Er ist zwar kein Sportheld, wollte aber unbedingt beim Ausflug dabei sein. Da kam er um die Ecke – aber nicht nur er, sondern er brachte auch noch fünf Kinder mit. Novac, den Halbwüchsigen, der ihm nicht von der Seite weicht. Florin sorgt wie ein Vater für ihn, er bringt ihn auch mit zur Messe, „damit er Gott kennenlernt“. Alexandra, Ionela und Iova, die mit ihrer Mutter im Nachbarhaus untergebracht sind. Florin holt sie jeden Tag ab, um sie zur Schule und dann ins Sozialzentrum zu bringen. Er zuckte mit den Schultern: „Es war unmöglich, sie abzuwimmeln. Sie waren noch nie in den Bergen, sie müssen mit.“ Und da stand noch Traian, den Florin dazu gebracht hatte, arbeiten zu gehen. Jetzt verdient er ein wenig Geld und kann selbständig werden. Wir schauten auf Florin und seine Begleiter. „Und wie sollen wir das machen? Der VW-Bus ist voll.“ Novac fragte: „Warum fahren wir nicht mit zwei Autos?“ Die Karawane zog los. Es war ein herrlicher Ausflug – angeführt von den Schützlingen Florins.

Scheinbar war klar geregelt, wer auf die Bergtour mitdurfte: die kleine Hausgemeinschaft. Dann aber kam Florin und überforderte uns alle. Im Rückblick kann ich sagen, dass wir ihm die Begeisterung dieses Tages zu verdanken haben. Seine Schützlinge und Schüler steckten mit ihrer Freude alle an, ihre Begeisterung riss auch die lahmsten Wanderer mit. Es war wie bei Abraham, der seine engste Familie mitnahm, seine Frau und den Neffen, mit dem er zusammenarbeitete. Entscheidend aber war, dass er sowohl die Habe, die er selbst erworben, als auch die Menschen, die er selbst hinzugewonnen hatte, mitnahm. Alles, was ihm durch den eigenen Einsatz ans Herz gewachsen war. Der Midrasch sagt: „Wer einen Menschen lehrt, erschafft ihn gleichsam.“ So ist zu verstehen, dass im großen Abenteuer niemand so loyal ist wie die eigenen Schüler.

Wenn du Neues machen willst, wenn du Großes wagst, wirst du auf den engsten Kreis zurückgreifen, vielleicht auf die Familie, vor allem aber auf deine Schüler und Schülerinnen.
Von welchen Menschen kannst du sagen, dass du sie gelehrt und gleichsam erschaffen hast? Sie stärken dich und geben deinem Werk Zukunft.