Es gibt gute und es gibt böse Fragen. Die einen stärken das Vertrauen, die anderen zerstören es.
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?
Gen 3,1
„So nimm denn meine Hände und führe mich“, sang Andrei mit heller Stimme. Raluca spielte Gitarre, die anderen Kinder saßen um sie im Kreis. Dann war es Zeit, ins Bett zu gehen. Raluca zeichnete jedem ein Kreuzchen auf die Stirn. Dann sah sie in der Küche nach, ob alles für das Frühstück bereit war. Raluca war froh, dass die Kinder das Schuljahr bestanden und jetzt Ferien hatten. Bald würden sie ins Zeltlager fahren. Sie genoss es, dass sie für ihre Kinder wie eine Mama war. Kinder, die einmal auf der Straße waren, die ihre Eltern nicht kannten und jetzt im Kinderhaus ein Zuhause hatten. Mit den Kollegen und Kolleginnen verstand sich Raluca gut, mir vertraute sie. In der Freizeit lernte sie für den Abschluss ihres Studiums. Sie hatte das Gefühl, am richtigen Platz zu sein.
Da tauchte Sibylle auf, eine Volontärin aus Deutschland. Sie unterstützte die Arbeit im Kinderhaus und lernte mit Raluca Deutsch. Dann aber setzte sie ihr Flöhe ins Ohr. „Findest du nicht, dass es besser ist, wenn du eine eigene Wohnung hast und dich zurückziehen kannst? Willst du nicht einmal etwas ganz anderes machen? Du lernst Deutsch, willst du nicht den Westen kennenlernen?“ Raluca wurde plötzlich unzufrieden. Sie sei müde und könne nicht mehr die vielen Probleme der Kinder ertragen. Sie brauche eine Pause, wolle Erfahrungen im Ausland machen, ein Aufbaustudium. Ich spürte die Veränderung: Sie wich mir aus und schaute mir nicht mehr in die Augen. Ich stellte Sibylle zur Rede. Empört verteidigte sie sich: „Ich habe Raluca ja nur gefragt!“
Raluca entschied sich zu gehen, die Kinder weinten ihr lange nach. Dann irrte sie durch deutsche Institutionen und Städte, noch heute ist sie auf der Suche. Sie hat ihren Platz nicht mehr gefunden.
Scheinbar harmlose Fragen hatten eine junge Rumänin in die Irre geführt und ihre Seele verdunkelt. Es waren die Fragen einer Schlange. In der Mythologie versperrt dieses Symboltier dem Menschen den Zugang zum Baum des Lebens. Sie häutet sich immer wieder, ein schillerndes Bild für das ewige Leben. Sie symbolisiert aber auch den Tod, den das Gift der Viper bringt. In der Bibel ist sie zudem die Widersacherin Gottes. In unserem Vers beschreibt die Schlange den Versucher, der raffiniert eine von Gott gesetzte Grenze hinterfragt. Fragen wird man ja noch dürfen, so deklariert sich die Verführerin. „Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte.“ Die Fragen der redenden Schlange sind scheinbar naiv, doch eigentlich strategisch. „Hat Gott das wirklich gesagt?“ Und sie verdreht den Inhalt. Nur von einem Baum sollte der Mensch nicht essen, die Schlange aber sagt: „Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ Damit öffnet sie eine falsche Perspektive. Der Schlange gelingt es, sich in die Beziehung zwischen Gott und den Menschen einzuschleichen und das Vertrauen zu zerstören.
Es gibt gute und es gibt böse Fragen. Die einen stärken das Vertrauen, die anderen zerstören es. Die einen führen zu mehr Sicherheit und zu mehr Wissen, die andere vergiften Beziehungen und verführen. Warum fragst du?