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Von einem jungen Menschen, der das Netz zerrissen hat

Es gibt eine Stimme, die nur du hören kannst.

Der HERR sprach zu Abram: Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde!
Gen 12,1

Victor war noch ein Kind, als ihn seine Eltern der Großmutter anvertrauten und nach Zypern gingen, um Geld zu verdienen. Damit sollte das alte Haus renoviert werden. Aber sie kamen nie zurück. Größer geworden, stritt Victor oft mit der Großmutter, die ihn einsperrte. Er zog in eine Hütte und schlug sich selber durch. Die Schule hatte er aufgegeben, als er zehn Jahre alt war. Gegen ein Stück Brot und Speck half er bei den Bauern mit. Dann kam er in unsere Tischlerei. Er lernte schnell und hielt auch durch, wenn es Konflikte gab. Die Arbeit freute ihn, er wurde sogar der Vertraute des Meisters. Und mit achtzehn schaffte er den Führerschein. Nun, da er Geld verdiente, ließ ihn die Großmutter wieder im Haus wohnen. Victor renovierte das Haus und fertigte neue Möbel. Jetzt war alles gemütlich. Victor fühlte sich wohl, er hatte Freunde und ein Zuhause.
Da tauchte der Onkel auf und warf ihn aus dem Haus. Er sei der rechtmäßige Besitzer! Wir nahmen Victor in die Unterkunft für Lehrlinge auf. Die Großmutter fing ihn oft am Weg zur Arbeit ab und bettelte ihn an: „Bring mir Brot, ich brauche Herztabletten, es gibt kein Holz mehr zum Heizen!“ Victor half, wo er konnte. Arbeiten hatte er gelernt, in der Tischlerei war er verlässlich. Doch er wollte weiterkommen. Mit einem Freund ging er nach Deutschland, begann als Hilfsarbeiter auf dem Bau, lernte ein wenig Deutsch und sparte Geld, bis er sich einen Besuch in der Heimat leisten konnte. Im modernen Anzug schritt er durch die lange Straße ins Dorf, einen großen Koffer voller Geschenke trug er mit sich. Die Nachbarn schauten neugierig auf den eleganten Herrn. Als er vor dem Haus der Großmutter stand, winkte sie ihn freudig hinein. Sie klagte, dass sie es ohne ihn nicht schaffe. „Ist das Geld nicht angekommen, das ich dir jeden Monat geschickt habe?“, wunderte sich Victor geschockt. Die Alte schüttelte den Kopf. Ein Freund kam herein, er wollte, dass Victor ihm ein Fahrrad schenkte. Am Abend schaute er in der Dorfbar vorbei. Selbstverständlich musste er die Rechnung für alle übernehmen. „Bleib hier!“ bedrängten ihn alle. Mit leeren Taschen fuhr Victor wieder nach Deutschland. Der Traum, in sein Dorf zurückzukehren, war geplatzt. Nur noch mit seinem früheren Tischlermeister konnte er Schmerz und Träume besprechen. Mit seiner Hilfe wird er die Großmutter unterstützen können.
Seit kurzem hat Victor eine italienische Freundin. Sie wollen heiraten. Ihre Eltern wünschen sich, dass die beiden zu ihnen ziehen. Victor lernt Italienisch. Bald wird er mit seinem neuen Auto durch die engen Gassen Neapels fahren.

„Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde!“ Wie Abram hat Victor den Sprung gewagt und ist seiner inneren Stimme gefolgt. Seine Sehnsucht war stärker als alle Fesseln. Sein Mut wurde zu seinem Glück. Weder die echte noch die falsche Fürsorge seiner Verwandten konnten ihn am Aufbruch hindern, auch nicht die Ungewissheit eines fremden Landes. Bequemlichkeiten und das Gewohnte konnten ihn nicht halten. Er vertraute dem Ruf, den nur er in seinem Herzen wahrnahm.

Nicht Freunde, nicht Großeltern, nicht Eltern können für dich entscheiden, was dein Leben erfüllt. Wer Großes leisten will, muss seinem eigenen Herzen folgen.