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Überraschender Zuwachs

Erste Erfolge machen dankbar

Auch Abel brachte eine (Gabe) dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der HERR schaute auf Abel und seine Gabe.
Gen 4,4

Kindheitserinnerungen. Ein Bauernhof, hoch gelegen und abseits vom Dorf. Eine große Familie mit zehn Kindern und drei Pflegekindern, zeitweilig auch Knechte und Mägde aus der Verwandtschaft, die helfend in der Erntezeit einsprangen. Der Erdboden nicht besonders fruchtbar, aber seine Erträge genügten zur Selbstversorgung der Großfamilie, und die Wiesen gaben genug Heu als Futter für die paar Kühe, Kälber, Rinder, Schafe und Ziegen. Besonders groß war die Freude, wenn eine der Kühe ein Kalb gebar. Damit tat sich die Möglichkeit auf, dass etwas Geld in die Hauskasse kam. Denn am Ende des Sommers gab es jährlich in der benachbarten Marktgemeinde eine sogenannte „Versteigerung“. Viehhändler aus verschiedenen Gegenden und Ländern überboten sich beim Erwerb von gesunden, schönen und für die Zucht geeigneten Rindern. So war ein zu einem guten Preis verkauftes Rind die einzige finanzielle Quelle für die Bergbauernfamilie.

Eine Glücksstunde für unsere Mutter. Ausgestattet mit Tatkraft, Organisationstalent und kundig im Umgang mit Geld – im Gegensatz zum Vater –, war sie die verantwortliche „Finanzministerin“ des Hauses. Wie sie die ausstehenden Rechnungen für den Hausbau, für neue landwirtschaftliche Geräte und für den täglichen Lebensunterhalt beglich, wussten wir Kinder nicht. Was wir wussten und sahen, war, dass sie nach einem solchen überraschenden und ersehnten Geldfluss in der Stube saß und bis zu zwanzig Überweisungsträger – sie hießen damals „Erlagscheine“ – ausfüllte. Die Beträge waren klein, meistens zehn Schilling, in heutiger Währung nicht ganz ein Euro. Aber die Liste der Empfänger warf ein Licht auf unsere Mutter. Selber mit einer großen Familie beschenkt, spendete sie für SOS-Kinderdörfer. Weil eine Schwägerin, geplagt von zermürbenden psychischen Belastungen, immer wieder in der Pflege- und Heilanstalt in Hall – wir Kinder sprachen despektierlich von der „Irrenanstalt“ – Erleichterung erfuhr, spendete sie für diese Einrichtung. Selber im Glauben stark und lesefreudig, abonnierte sie mehrere literarische Blätter unterschiedlichster Missionsorden und unterstützte deren Arbeit. So war die Überraschung eines gelungenen Viehverkaufs für die Mutter Grund und Anfangspunkt ihrer Dankbarkeit, um auch andere an dieser Freude teilnehmen zu lassen.

Das erste große Geschenk, das die aus dem Paradies der Kindheit in die Welt des Erwachsenwerdens geschickten Menschen erleben, ist ihre Fruchtbarkeit. Sie bekommen Kinder. Voll Dankbarkeit nehmen sie das überraschende Geschehen als Erfüllung der Verheißung Gottes an. Diese wichtigste menschliche Grundhaltung übertragen die Eltern auf ihre Kinder. Auf Kain, der das schwere Geschäft des verfluchten Ackers übernahm. Auf Abel, dem die Sorge um die Tiere anvertraut wurde. Beide hörende und gehorsame Söhne. Abel entdeckt im überraschenden Zuwachs in seiner Herde den Segen einer höheren Macht. Hingabe und Opfer des erstgeborenen Lammes sind seine Antwort, Zeichen des Dankes und der Verehrung.