Welche Kraft schöpfe ich aus meinem Vornamen? Welche aus dem Namen Gottes?
Auch dem Set wurde ein Sohn geboren und er gab ihm den Namen Enosch. Damals fing man an, den Namen des HERRN anzurufen.
Gen 4,26
Israel ben Elieser, der Begründer der spirituellen Bewegung des Chassidismus, erhielt den Beinamen Baal-Schem-Tow, Herr des guten Namens. Er war nicht nur tief verwurzelt im Geheimnis des biblischen Gottes, er hatte auch die Fähigkeit, in den Menschen mittels ihres Namens Selbstvertrauen, Größe und Stärke aufzubauen. Ein schönes Beispiel dafür hat Martin Buber in seinen Chassidischen Erzählungen festgehalten. Mit seinem siebenjährigen Schaul, einem Schüler, besuchte der große Rabbi einmal ein Gasthaus, in dem ein nicht besonders gut aufspielender Fiedler eine wilde Horde von Bäuerinnen und Bauern zum Tanzen animierte. Als der Rabbi vorschlug, seinen Siebenjährigen vorsingen zu lassen, hob man diesen auf einen Tisch, und er brachte mit seiner Silberstimme die Gruppe zum begeisterten Mitmachen. Plötzlich sprang aus der wilden Horde ein junger Mann auf den Siebenjährigen zu, fragte nach seinem Namen und tanzte dann ekstatisch um den Buben, immer wiederholend: „Du Schaul und ich Iwan, du Schaul und ich Iwan!“ „Etwa dreißig Jahre danach“, so fährt Martin Buber fort, „fuhr Rabbi Schaul, der ein wohlhabender Kaufmann, aber auch ein Talmudgelehrter von Rang geworden war, in Geschäften über Land. Da überfielen ihn Räuber, nahmen ihm sein Geld ab und wollten ihn erschlagen. Als er sie um Erbarmen bat, brachten sie ihn vor ihren Hauptmann. Der sah ihn lang und durchdringend an und fragte endlich: ,Wie heißt du?`,Schaul`, antwortete er. ,Du Schaul und ich Iwan, du Schaul und ich Iwan`, sagte der Hauptmann. Er hieß seine Leute Rabbi Schaul sein Geld zurückgeben und ihn heimbringen.“ Namen prägen die Biographie.
Der Blick der Bibel in die Jahrmillionen der Genese von Welt und Leben endet mit einem wunderbaren Bild. In die Erde, also von Adam dem „Erdling“, wird Set, ein „Setzling“, gepflanzt. Und die erste gezeugte Frucht dieses Setzlings wird Enosch – der Mensch – genannt. Ein Eigenname, den jeder Geborene trägt, kein Gattungsbegriff. Menschwerdung beginnt in der Bibel durch die Namensgebung. Durch den Namen wird der gezeugte Mensch ein Du, ein Gegenüber, eine selbständige, unverwechselbare Person. Das hebräische Wort Enosch betont dabei sowohl das Gesellige, Kommunikative, das den Menschen fähig macht zu Begegnung, Austausch und Sprache, wie auch seine Schwäche, Hinfälligkeit, das Verletzliche und Sterbliche.
Und noch ein Zweites zeichnet den Enosch aus, das mit seinem Namen für immer verbunden bleibt. Dieser beziehungsstarke und seiner Geschöpflichkeit bewusste Mensch macht sich auf die Suche nach dem Geheimnis und nach der Tiefe von Welt und Leben. Er gibt diesem Geheimnis einen Namen, vier Buchstaben, JHWH, in denen Nähe, Treue, Solidarität und Partnerschaft eines mitgehenden und mitleidenden Gottes verdichtet sind. Ein Name, der ein göttliches Du, ein personales Gegenüber erschafft. Der biblische Namen Gottes ist geboren. So wird durch den Namen Enosch ein Mensch und durch den Namen JHWH Gott.
Welche Kraft schöpfe ich aus meinem Vornamen? Welche aus dem Namen Gottes?