Die Suche nach Führungskräften beginnt mit der Frage: Wem gebe ich besondere Aufmerksamkeit?
Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch!
Gen 1,28a
Als es hupte, stürmten die Kinder wie wild aus der Musikschule, um im Kleinbus die vorderen Plätze zu ergattern. Das Auto brachte die Schüler zurück ins Nachbardorf und holte die nächsten zum Unterricht. Sebi blieb in der Schule. „Du musst noch ein Stück üben, es ist schwieriger. Aber du wirst es lernen.“ Der Saxophonlehrer Mircea zeigte Sebi spezielle Griffe, damit er die Melodie schneller spielen konnte. Sebi probierte es, nach einigen Versuchen ging es immer besser. Dann gab ihm Mircea noch ein Stück zum Lernen. Sebi begriff schnell, es wurde ein Duett. Die beiden spornten einander an, improvisierten, hatten viel Freude am gemeinsamen Spielen. Die nächsten Schüler kamen, Sebi machte im Übungsraum alleine weiter, bis Mircea wieder Zeit hatte. Zum Abschluss probierten sie dann noch die neuen Melodien. So ergab es sich, dass Mircea Sebi am Abend nach Hause brachte, weil das Schulauto schon weg war. Wenn die Schüler am Mittwoch in der gemeinsamen Probe ihre Stücke spielten, stach Sebi heraus. Er spielte Solo, eine zweite Stimme, war den anderen schon weit voraus. Sebi, früher ein Störenfried, wurde zum Musterschüler. Bei all den Schwierigkeiten, die er bereitet hatte, hatte Mircea doch seine Begabung gespürt. Mit besonderer Liebe baute er ihn auf. Und nun bewundern ihn nicht nur die Mädchen, auch seine Freunde möchten spielen können wie er. Für Sebi gibt es nur noch eines: Er will ein großer Musiker werden. Wie Mircea.
Dem Lehrer ist es gelungen, einen Schüler groß zu machen, der nun viele andere mit seiner Begeisterung ansteckt. Viel Phantasie hat es gebraucht, um die Widerstände zu überwinden. Die Freundschaft zwischen den beiden hat Unglaubliches bewirkt. Eine solche intensive Beziehung lese ich heraus, wenn die Bibel von der Schöpfung der Menschen erzählt. „Gott segnete sie und sprach zu ihnen.“ Im Unterschied zur Tierwelt (Gen 1,22), die bloß gesegnet wird, ist dem Menschen eine doppelte Zuwendung und Ansprache geschenkt. Das besondere Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen verleiht ihm die Kraft, fruchtbar zu werden und sich zu mehren. Ein Beispiel ist der Patriarch Jakob, der seinen Sohn Josef, dessen Führungskraft und Begabung er spürt, mehr als alle Kinder liebte. Er ließ ihm einen bunten Rock machen, was die Eifersucht und den Hass der Brüder hervorrief. Die besondere Zuwendung brachte Josef zwar in Lebensgefahr, machte aber aus ihm eine Führungsgestalt. Er wurde am Hof des ägyptischen Pharaos der Minister, der das Volk und seine Familie aus der Hungersnot nach sieben mageren Jahren rettete.
Die starke Liebe, wie der Mensch sie in der Schöpfung von Gott erfährt oder wie sie Josef von seinem Vater bekommt, ist ein riskantes Geschenk und mit Verantwortung verbunden. Aber sie ist unabdingbar für Fruchtbarkeit und Mehrung. „Deine Zuneigung machte mich groß.“ So dankt der Psalmbeter (Ps 18,36b). Die Größe des Menschen, des Musikschülers und des Lebensretters ist aus einer intensiven Beziehung hervorgegangen.
Die Suche nach Führungskräften beginnt mit der Frage: Wer braucht besondere Zuwendung, um Großes leisten zu können?