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„Nie wieder!“

Zwei scheinbar kleine Worte, die eine geistreiche Realisierung fordern.

Ich richte meinen Bund mit euch auf: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.
Gen 9,11

„Nie wieder!“ wer kennt diesen reumütigen Gedanken Samstag vormittags nicht? Oder ist es gar schon Mittag?! Wenn die Kehle noch Flüssigkeit lechzt, der Kopf dröhnt und die Augen brennen. Wenn die Folgen der Studentenparty erbarmungslos dem Körper sämtliche Kräfte rauben, die am Vorabend noch so grenzenlos schienen. Wenn in diesem Moment des Daniederliegens nur noch der Vorsatz gesetzt werden kann: nie wieder! Und gleichzeitig schon irgendwo im Nebel der leise Zweifel flüstert: „Warten wir nur ab!“

„Nie wieder, P. Heine-Geldern“, stammeln die Jugendlichen mit hängenden Köpfen. Freitag nachts trieben sie sich angetrunken auf dem Schulgelände herum, während ein Übernachtungswochenende mit 80 Kindern lief. Mit ihrer Aktion weckten sie die Kinder, die gerade erst nach mühsamen Ringen die Augen geschlossen hatten. Mit erneutem Aufwand mussten die verantwortlichen Leiter die aufgebrachten Kleinen wieder beruhigen. Den Eindringlingen war die Tragweite ihrer nächtlichen Aktion nicht bewusst, obwohl einige von ihnen verantwortungsvolle Ämter im Jugendverband innehaben. Eine Entschuldigung ließ auf sich warten. Sie kam erst sonntags nach etwas Druck von Seiten älterer Leiter. Der Ton eher halbherzig und uneinsichtig. Ein Gespräch folgte mit einer klaren Ansage der ältesten Mitglieder, die schon zehn Jahre in der Jugendarbeit wirkten: „Eine solche Kultur gab es noch nie und wollen wir auch nie wieder sehen. Wir tragen alle Verantwortung für die Gemeinschaft, gerade wenn wir von ihr in unsere Ämter gewählt worden sind.“ Diese Ansage saß. Wie lange wird sich zeigen?

„Nie wieder Krieg!“ diese Parole prägt insbesondere die Nachkriegsgeneration. In seiner Rede am 8. Mai rang der deutsche Bundeskanzel Olaf Scholz mit den Konsequenzen dieses Vorsatzes, der mitten in den Trümmern des verheerenden Weltkrieges gefasst worden war. Aber was bedeuten diese Worte heute? Wie können sie angesichts des erneuten Krieges auf europäischen Boden realisiert werden? Durch Waffenlieferungen oder einem radikalen Stopp der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas? Je länger die Kampfhandlungen dauern, umso intensiver wird in Deutschland debattiert. Manche Kommentare sehen in den Diskursen einen anschwellenden Generationenkonflikt. Wie kann gegenseitiges Vertrauen wieder gefunden werden?  

„Nie wieder“ hören wir aus Gottes Mund, während der Meeresspiegel um uns steigt und einzelne Landstriche schon unter Wasser stehen. Eben erst hatte die gewaltige Sintflut alles Übel und mit ihm die gesamte Schöpfung unter sich begraben. Ein neuer Bund wird geschlossen. Von nun an lässt Gott die Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45). Das Unkraut soll neben dem Weizen wachsen. Erst nach der Ernte wird getrennt (Mt 13,24-30). Das biblische Gottesbild provoziert. Mit Hiob stellen wir Gottes Gerechtigkeit in Frage. Jesus selbst ringt am Ölberg mit dem Willen seines Vaters, mit seinem „nie wieder“. Anstatt das Übel zu vernichten, macht der Sohn sich selbst zur Sünde, durchleidet sie, und nimmt ihr damit ihre von Gott trennende Kraft. Sein mit Noah geschlossener Bund vollendet sich in der Torheit des Kreuzes.

„Nie wieder!“ diese Worte sind in Momenten des Scheiterns, der Enttäuschung oder der Empörung schnell ausgesprochen. Sie realisieren zu wollen öffnet für die Gaben des Geistes: der Weisheit, der Einsicht, des Rates, der Erkenntnis, der Stärke, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht.

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