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Friedensboten

Träumen Sie noch vom Weltfrieden? Oder ist das eine zu naive Frage?

Dann ließ er eine Taube hinaus, um zu sehen, ob das Wasser auf dem Erdboden abgenommen habe.
Gen 8,8

Weiße Plastikbecher, billiger Rotwein, feiner Sand, Meeresrauschen – mehr brauchten wir drei frisch gebackenen Studenten nicht. Direkt nach den letzten Uniprüfungen starteten meine zwei ältesten Freunde und ich unseren ersten Roadtrip quer durch Europa. Gepackt hatten wir in Windeseile. Aus Friedensboten
dem Kleiderberg im hinteren Teil des wegen seiner Blechbeulen geliebten Partybusses stach ein Gitarrenhals hervor. Keiner von uns konnte sie spielen, aber ohne sie wäre unser Setup unvollständig. Unser Weg führte über Prag, Kufstein (warum wir dorthin fuhren, ist eine andere Geschichte), Berlin und Paris an die Cote D’Azur mit spontanen Zwischenstopps im Nirgendwo dazwischen – je nach Budget auch mal im Bus. An der südfranzösischen Küste war wildcampen nicht gerade gern gesehen. Ewig suchten wir entlang der kurvenreichen Straße einen kleinen freien Spot, bis es uns zu blöd wurde und wir einfach das Auto abstellten und zum Strand hinabstiegen. Als wir dort gerade unsere Köstlichkeiten ausbreiteten, gesellten sich zwei Gleichaltrige in Hippie-Klamotten zu uns. Nett, wie wir nun einmal waren, schenkten wir ihnen auch einen Schluck unseres edlen Tropfens ein. Im Moment als wir anstoßen wollten, rief der eine mit jugendlichem Ernst aus: „Auf den Weltfrieden!“ – kurzes Schweigen in der Runde bis wir drei laut zu lachen begannen. Sein naiver Hippie-Spruch wurde für uns zum „running gag“. Die ausgesandte Friedenstaube fand bei uns keinen trockenen Boden.

Nach langer unsicherer Reise hat Noah endlich einen Ruheplatz gefunden. Die Arche wird nicht mehr von den Wellen hin und her geworfen. Was für eine Freude musste das für die Besatzung sein? Und gleichzeitig verlangten die äußeren Umstände noch eine ordentliche Portion Geduld von ihnen. Sie konnten weiterhin den Holzkasten nicht verlassen. Um sie herum fand sich kein tragfähiger Boden, doch gaben sie die Hoffnung nicht auf und sandten Boten aus. Zuerst den klugen und treuen Raben, dann die friedliche Taube. Aber weder Klugheit, Treue noch Frieden fanden trockenen Boden. Die Welt war noch nicht reif für den Neuanfang.

Auf den Schultern des alten Mannes am Fenster lasten viele Aufgaben. Er kennt den Bürgerkrieg, die Hungersnot, den Geruch der Vertriebenen und Verlierern. Bunte Hippie-Kleidung schmückte ihn nie. Heute trägt er das bekannteste weiße Gewand. Es ist der 01. Jänner 2014 – seit 1968 betet die katholische Kirche an diesem Tag für den Weltfrieden. Das Fenster des Papstpalastes steht weit offen und Franziskus lässt zwei weiße Tauben hinausfliegen. Trotz seiner langen Reise durch die Weltgeschehnisse gibt er die Hoffnung auf Frieden nicht auf. Er ruht auf festem Grund und kann warten. Die beiden Tauben steigen in die Luft, die Menschenmassen auf dem Petersplatz erfreuen sich. Doch da tauchen eine Möwe und eine Krähe auf. Die römischen Plagetiere attackieren die Tauben, die sich gezeichnet am Fenstersims der päpstlichen Wohnung retten können.
Im folgenden Jahr stand Papst Franziskus wieder am Fenster. Diesmal ließ er Luftballons als Zeichen der Hoffnung für Frieden aufsteigen. Ob er wohl Nena kennt? Selbst nach etlichen Jahren schallt ihr satirisches Kriegslied über die Radiowellen und ruft auf ihre Weise zum Frieden auf. Ihrem Traum schließt sich Franziskus an und fordert erneut am vergangenen Neujahrstag, das Geld für die Waffen sollte in einen „Weltfonds“ zur Bekämpfung von Hunger und Armut gesteckt werden.
Ein naiver Aufruf?

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