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Ein Fragen, das öffnet und nicht bedroht

Wer hilft mir, einen Fehler zu sehen und darüber zu reden? Wem konnte ich etwas sagen, das mich belastet?

Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
Gen 3,11

„Wir sind achtzehn im Haus“, klagte Anca, neigte den Kopf und schaute mich mit einem bettelnden Augenaufschlag an. Sie kam gerade mit ihrer Tochter Ionela vom Einkaufen. Ich ahnte schon, worauf sie hinauswollte. Anca wollte sich in der Warteliste für eine Sozialwohnung nach vorne kämpfen. Sie hat sieben Kinder zu Hause, zwei Schwiegertöchter und deren sieben Kinder dazu, macht siebzehn. Ihre Familie ist eine der ärmsten im Dorf und stark verwahrlost. Zurzeit wohnte sie mit Nelu, einem ihrer Kindesväter, in einem kleinen Haus mit zwei Räumen. „Nelu hat uns rausgesetzt. Er lässt mich nicht mehr hinein, wir dürfen nur noch in das hintere Zimmer. Wir sind zu viele in der Nacht. Glaube mir, ich habe heute draußen im Hof geschlafen“, fuhr sie fort. Ionela fragte: „Aber Mama, wäre es nicht gut, wenn du ihm helfen würdest, das Haus zu putzen? Er hat alles schön aufgeräumt, und du tust nichts, wenn die Kleinen alles durcheinanderwerfen. Ist es nicht so, dass immer nur er sauber macht?“ Anca schaute beschämt auf den Boden. „Ich schaffe es nicht mehr. Kaum habe ich die Kleider am Brunnen gewaschen, gehen die Kleinen wieder in den Dreck.“ Ionela bohrte weiter. „Nelu mag es auch nicht, wenn der Nachbar Sandu ins Haus kommt. Er flirtet mit dir. Verstehst du nicht, dass Nelu eifersüchtig ist? Was würdest du machen, wenn Nelu eine Freundin hätte?“ Sandu war also der achtzehnte Bewohner. Wieder war Anca beschämt. „Ja, Ionela, der Sandu kommt zu mir und das ist ein Problem. Ich war sehr leichtsinnig. Soll ich den Sandu wieder wegschicken?“ Ionela umarmte ihre Mutter. „Endlich kommst du drauf, dass der Sandu kein Guter ist.“ Ob sich Anca und Nelu wieder versöhnen? Es wäre nicht das erste Mal.

Ionela hatte Fragen gestellt und keine Vorwürfe gemacht. Es bringt selten etwas, jemandem seine Fehler an den Kopf zu werfen. Dann muss er sich verteidigen. Der Sünder mauert sich ein und wird an seine Fehler gekettet. Gott zeigt uns eine Alternative in der Weise, wie er dem Menschen im Garten Eden Fragen stellt. Zweimal fragt er nach, obwohl er alles weiß. Er will nicht noch mehr wissen, sondern sich einfühlen in die veränderte Lage des Menschen. Vorher war der Mensch im Garten Eden unbefangen, jetzt fühlt er sich nackt. „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?“ Mit der zweiten Frage erinnert Gott den Menschen an das eine Verbot, das er ihm zum Schutz vor Überforderung gegeben hat. Mit beiden Fragen will Gott es den Menschen erleichtern, seine Fehler zu sehen und einzusehen. Einen Fehler kann ich nur gutmachen, wenn ich ihn erkenne. Aus dem Fehler kann ich lernen, wenn ich ihn bereue, „denn eine nicht bekannte und nicht bereute Sünde ist eine ständig begangene Sünde“ (J.H. Hertz).

Wer stellt Fragen, die dich zu Selbsterkenntnis und Selbstkritik befähigen? Wo hat dir jemand geholfen, einen Fehler einzugestehen?