Zum Inhalt springen

Ein Dreiecksverhältnis

Wo wagen wir die Partnerschaft mit Kindern, Jugendlichen und Mitarbeitern? Wer weckt in uns Energie?

Der Mensch erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom HERRN erworben.
Gen 4,1

Mit dem Herbst sollten die neuen Volontäre in unsere Gemeinschaft kommen. Im Sommer mussten wir Abschied nehmen von den jungen Menschen, die ein Jahr mit uns gearbeitet, gelebt und gebetet hatten. Und nun wieder ein neuer Anfang. Leere Zimmer, die bewohnt und mit Bildern und Gegenständen, Kleidern und Büchern belebt werden würden. Wer würde kommen, welche Talente und welche Schwierigkeiten würden uns in diesem Arbeitsjahr begleiten? Als Erster kam Ovidiu, dann Louise, später Benedicta. Schnell waren alle eingelebt, die Gemeinschaft wuchs zusammen, sowohl die Jungen unter sich als auch sie mit uns, der bestehenden Gruppe. Österreicher, Deutsche und Angelica, Romni und ehemaliges Straßenkind. Jeder machte seine Arbeit, wir aßen miteinander, jeder kam zum Gebet. Doch etwas fehlte. Und eines Tages standen wieder Ionut und Zana vor der Tür. Im Dorf nennt man sie die „Rocker“, weil sie wild und gefürchtet sind. Sie hatten bei den Eltern gewohnt, doch dort gab es Krisen, sie mussten ihre Unterkunft verlassen, weil der Vater wieder randaliert hatte. Wohin mit den vielen Kindern? So schickte die Mutter sie zu uns. Wir nahmen die zwei auf. Unsere jungen Volontäre hatten bis jetzt ihre Abende lesend, im Internet oder mit gemeinsamer Tagesreflexion verbracht; nun waren sie herausgefordert, die zwei Kinder am Abend ins Bett zu bringen und morgens für die Schule fertigzumachen. Ovidiu erstellte einen Dienstplan, für Frühstück, Putzen, Waschen. Die „Rocker“ nutzten die Schwächen der jungen Volontäre und testeten ihre Grenzen aus. Eine große Aufgabe für die Volontäre, eine Herausforderung, die sie verband. Aus der ersten Überforderung wuchs Freude. Die Gemeinschaft unter den Dreien und mit uns wurde stark und lebendig. Die Kinder bringen viel Buntes und Schönes in unser Leben. Jetzt sind wir erst richtig zusammengewachsen. Ovidiu, Benedicta und Louise blühen auf und zeigen ihre Stärken.

Wir hatten uns gut verstanden, auch die Nähe zu Gott war spürbar. Aber es war für die Jungen langweilig. Etwas Entscheidendes hatte in der braven Gemeinschaft gefehlt und kam mit den „Rockern“ ins Haus. Sie ließen uns erkennen, was Leben ist. Das Wort „erkennen“ bezeichnet in der Bibel die letzte Intimität. „Der Mensch erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain.“ Um das „Erkennen“ geht es auch bei uns. Ohne tiefe Nähe zu den Schützlingen – ja, sie ist gefährlich! – fließen keine Kräfte. Ich könnte mir unser Werk nicht vorstellen, ohne dass ich mit Menschen das Leben teile. Diese Gemeinschaft macht es möglich, dass wir ertragen, was wir nicht verstehen, weiterarbeiten, obwohl alles anders läuft, als wir es gedacht haben.
Unser Werk hat sich den Roma verschrieben. Wenn Angelica und die „Rocker“ nicht mit uns essen, lieben und streiten würden, brächte unser Projekt leere Worte und sinnlose Mühen, nicht aber den langen Atem und vor allem nicht das Miteinander, das spannend bleibt. Halten wir uns gegenseitig aus, wie wird die Integration uns und sie verändern? Mit uns schafft Gott einen neuen Menschen.