Zum Inhalt springen

Ein besonderer Tag – herausgehoben und schön, geformt und anstrengend.

Wie schaut mein Sonntag aus?

Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.
Gen 2,3

Kindheitserinnerungen. Der Samstagabend. Unabhängig davon, was unser Vater in der Hand hielt – beim Mähen die Sense, beim Heumachen den Rechen, beim Holzhacken das Beil, beim Getreidedreschen den Flegel –, wenn am Samstagabend um fünf Uhr die Kirchenglocken den Sonntag einläuteten, legte er sofort alles aus der Hand. Feierabend, die Arbeit einer Woche war getan, der Sonntag begann. Ein Tag der Ruhe, der Erholung an Leib und Seele. Für uns Kinder kam am Samstagabend die Stunde der Reinigung. In der Stube war ein großer hölzerner Waschtrog – im Dialekt „Schaffl“ genannt – aufgestellt. Mit der Ältesten beginnend, wurden wir alle von der Mutter mit einer selbstgemachten Talgseife eingeseift, mit einer harten Bürste abgerieben, gewaschen und mit einem rauen, aus Hanf gewebten Tuch abgetrocknet. Ich kam als Sechster an die Reihe. Das Wasser hatte schon eine gewisse Färbung. Eigenartig empfunden wurde das Nacktsein. Sonst streng tabuisiert und verschwiegen, wurde es beim Baden kindhaft spürbar. Und im Gegensatz zu dem während der Woche immer gleichen Abendessen, bestehend aus Kartoffeln und Milch, gab es am Samstagabend meist etwas Süßes. Den Osttiroler „Blattlstock“, aufeinandergeschichtete Palatschinken, mit Zucker und Mohn bestrichen, oder „Schlipfkrapfen“, eine Art Teigtaschen, gefüllt mit Mohn oder Kartoffeln. Der Samstagabend – herausgehoben und schön.

Der Sonntag. Für unseren Vater war er ein absolut heiliger Ruhetag. Einmal herrschte während der Erntezeit vier Wochen lang schlechtes, regnerisches Wetter. Nie konnte man das gemähte Gras trocken in die Scheunen bringen, außer an einem sonnigen Sonntag. Der Dorfpfarrer erlaubte den Bauern, ausnahmsweise an diesem Sonntag zu arbeiten. Für unseren Vater kam das nicht in Frage. Vor seinem Sterben mit vierundneunzig Jahren sagte er nicht ohne Stolz: „Nie habe ich in meinem Leben die Sonntagsruhe gebrochen. Und – hat es uns etwa geschadet? Wurden wir dadurch ärmer?“ War der Vater während der Woche ein geselliger, humorvoller, lockerer Mann, so wurde er am Sonntag ernster, frömmer. Beim Mittagessen bei Speckknödeln und Kraut versuchte er uns Kindern oft die Gedanken aus der Predigt des Pfarrers näher zu bringen. Meist moralische Ermahnungen, Aufruf zu Fleiß, Tüchtigkeit und Keuschheit. Für uns Kinder war der Sonntag überhaupt eher anstrengend. Zweimal in die Kirche, um sechs Uhr in die Frühmesse, um acht Uhr in das „Amt“. Und am Nachmittag in die ungeliebte Andacht, wenn andere Kinder im Winter Schifahren gingen oder im Sommer Fußball spielten. Später, als wir größer wurden, zog es uns am Sonntag mehr in die Gasthäuser, in denen wir manchen Abend verbrachten. Auf die Ermahnung der Mutter „Wie dein Sonntag, so dein Sterbetag!“ entgegnete ich: „Wäre gar nicht so schlecht, im Gasthaus zu sterben.“ Der Sonntag – geformt und anstrengend. Kindheitserinnerungen.

Die Bibel schildert den siebten Tag, für Juden der Schabbat, für Christen der Sonntag, als Feiertag Gottes. Er gibt seinem Werk Ansehen und feiert es. Dieser Tag birgt und bringt Segen, wenn man ihn heiligt, heraus nimmt aus den übrigen Tagen. Wie schaut mein Sonntag aus?