Eine Gemeinschaft unbeschwerter Lebensfreude.
„Beide, der Mensch und seine Frau, waren nackt; aber sie schämten sich nicht voreinander.“
Gen 2,25
Lennart gilt als der perfekte Schwiegersohn, voller Lebensfreude und Neugierde. Er ist auf die Butterseite des Lebens gefallen und steckt viele mit seiner natürlichen Fröhlichkeit an. Im Jugendzentrum ist er sich nicht zu schade, mit den zwölfjährigen Mädchen Taschen zu nähen oder zu kochen, gleichzeitig kann er bis frühmorgens auf Festen feiern. Leidenschaftlich isst er, ohne dabei ein Gramm Fett anzusetzen. Sein Selbstvertrauen ist nicht aufdringlich, doch merklich. Wenn ihm etwas nicht passt, spricht er es an. Ebenso kann er aber über sich selbst lachen, wenn er merkt, dass er sich doch etwas zu wichtig genommen hat. Lennarts spiritueller Sensus ist ausgeprägt. Mit der Institution Kirche ringt er, denn auf jeden kleinen Hauch der Ausgrenzung reagiert er allergisch. Gemeinschaft ist für ihn zentral.
Aufmerksam achtete er auf die Gruppendynamik während unserer Osterfahrt. Wenn er merkte, dass das Programm zu dicht war, sorgte er mit kreativen Spielen für Abwechslung. Auf die geistlichen Übungen ließ er sich ein und half so anderen Jugendlichen, innere Barrieren zu überwinden. Das österliche Triduum feierten wir intensiv. Der Abend am Gründonnerstag begann mit einem Rollenspiel. Die Charaktere der einzelnen Apostel um Jesus wurden beschrieben, um ihre Verschiedenheit und unterschiedlichen Erwartungen an Jesus spüren zu lassen. Die Jugendlichen konnten anschließend in die für sie ansprechendsten Persönlichkeiten schlüpfen und ihre eigenen Erwartungen formulieren. Was müsste Jesus tun, damit sie ihm glauben würden?
Anstatt einer theoretischen Antwort steht Jesus auf, legt das Obergewand ab und wäscht seinen Jüngern die Füße. An jedem Jugendlichen sollte das geschehen. Lennart wehrte sich heftig. Das wolle er nicht. Es reiche, wenn sein rechter Fuß gewaschen werde. Seine Reaktion war überraschend, denn die Narben auf seinem linken Fuß waren kaum sichtbar: Spuren einer Verbrennung aus seiner Kindheit. Hier aber wollte er nicht berührt werden. Sein linker Fuß blieb bedeckt.
Die beiden Menschen zeigten sich nackt. Ohne Bedeckung, ohne Schutz. Waren sie etwa makellos? Hatten sie den perfekten Körper? Sie schämten sich nicht voreinander. Diese wenigen Worte verbreiten unbeschwerte Lebensfreude. Es herrscht Ebenbürtigkeit zwischen Mann und Frau. Jeder steht für sich da, aber nicht isoliert, sondern in Beziehung zueinander. Sie erkennen einander in Fülle. Es muss nichts verdeckt werden. Für Scham gibt es keinen Grund. Ein paradiesischer Moment, der wie die gesamte Beschreibung von Eden die von Gott geschenkte Überfülle an Liebe und Leben ausdrücken möchte.
Lennarts Reaktion mag für uns lächerlich erscheinen. Er selbst aber will seine Wunden noch keinen Blicken aussetzen. Vermittelt ihm die Gemeinschaft, dass er makellos sein muss? Bleibt unser Blick an den Verbrennungen hängen? Wen sehen wir in dem jungen Mann? Jesus wäscht jedem die Füße, berührt jeden: ob Krüppel oder Blutende, ob Feiglinge oder Verleumder. Er sieht sie nackt, in der Fülle der Liebe Gottes.
In welcher Gemeinschaft erfahre ich unbeschwerte Lebensfreude?