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Atemlos

Wer hofft für mich, wenn sich alles in Staub aufzulösen scheint?

„Denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“
Gen 3,19b

Toni strotzte nur so von Talenten. Den anderen Kindern war er immer eine Nasenlänge voraus. Zurecht war mein Jugendfreund stolz auf seinen Sohn. Mit ihm konnte man Pferde stehlen und gleichzeitig genoss er mit Begeisterung die Stille des Waldes. Sein Feinsinn war schon als Kleinkind ausgeprägt und man hörte gerne seinen Beobachtungen zu. Seine Neugierde war unstillbar, ständig wechselten seine Interessen und Grenzen reizte er gerne aus. Schon früh fühlte er sich innerlich getrieben, wollte es allen recht machen und hetzte von einem Termin zum anderen. Entspannung fand er beim Kiffen. Einige Zeit trugen ihn seine Begabungen, bis er mit 14 Jahren Schule wechseln musste. Dieser Warnschuss ging ins Leere. Tonis Beziehungen begannen sich nur noch um Drogen zu drehen. Sein Freundeskreis war gut vernetzt, Stoff war schnell besorgt. Kaum noch drang mein Freund durch die Nebelwand seines Sohnes. Ein Jahr später wurde ein Drogentest an der Schule durchgeführt. Toni war positiv. Er wurde vor die Wahl gestellt, entweder die Schule zu verlassen oder sich regelmäßigen Tests zu unterziehen. Er zog die Reißleine, hörte auf zu kiffen, nahm Kontakt mit früheren Freunden auf und entdeckte die Welt in neuen Farben. Seine Interessen poppten wieder auf und gute Vorsätze wurden gefasst. Den ersten Entzugserscheinungen trotzte er, auch wenn er den Entspannungsmomenten nachtrauerte. Toni freute sich über seine Erfolge und fühlte sich bald wieder bereit, in die alte Szene einzutauchen. Warnungen ließ er nicht an sich heran. Die Tests bewiesen ja, dass er nicht mehr kiffte. Er blieb clean, zumindest anfangs, dann probierte er doch hin und wieder einen Zug. Bald zirkulierte er erneut im bekannten Teufelskreis der Ausreden. Hoffnungen zerplatzten. Selbst seine ältesten Freunde wandten sich von ihm ab. Schließlich verließ ihn sein Selbstvertrauen. Angst und Abscheu trieben ihn vor sich her. Nurmehr unter den Kollegen, die noch abhängiger waren, fühlte er sich wohl.

Ähnlich schnell fiel Adam. Vor kurzem war er noch voll des Lebens. Die Welt war ein Paradies. Er konnte frei atmen. Plastisch beschreibt die Genesis, wie Gott ihn aus der Erdmasse geformt hatte, und Leben in seine Nase hauchte. Ein Bild innigster Beziehung, in der biblisch gesehen die Würde des Menschen und seine Freiheit im Umgang mit der Schöpfung wurzeln. Mit dem Griff nach dem Apfel überschritt Adam eine Grenze, fiel und versteckte sich. Gott machte sich auf die Suche nach ihm. Von Strafe oder Zorn war keine Spur. Aber der Mensch vertraute seinem Schöpfer nicht. Anstatt sich seinem Fehler zu stellen, versuchte er sich herauszureden. Damit wandte er sich von Gott ab, entzog sich der Beziehung und kehrte sich der Welt zu. Diese glich aber nicht mehr einem kultivierten Garten, sondern einem staubigen Ackerboden. Ihre Vergänglichkeit warf den Menschen auf seine Endlichkeit zurück. Er unterschied sich nicht mehr von seiner Umgebung, alles war zu Staub geworden.

Atemlos wurschtelte sich Toni durch das Leben. Jede Verbindlichkeit glich einer Überforderung. Zukunftspläne rückten in immer weitere Ferne. Seine Beziehungen und Lebensfreude hatten sich in Staub aufgelöst. Mein Freund hingegen gibt die Hoffnung nicht auf. Er kennt seinen Sohn.