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Erscheinungen, die ein Zuhause geben

Wo sind die Altäre der Hochschätzung des Menschen? Wo baust du an einem Heiligtum der Menschlichkeit mit?

Der HERR erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Dort baute er dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar.
Gen 12,7

Mit ihren hohen Absätzen kam die Dame nur mühsam über den steinigen Weg. Bevor sie das Kinderhaus betrat, warf sie ihre Zigarette ins Blumenbeet. Dann legte sie los. Sie zückte ihr Notizbuch und schrieb die Missstände hinein, die sie aufzudecken hatte. Ihr Kontrollbesuch sollte mit einer hohen Strafsumme enden. Die Dame war „Sozialassistentin“ im staatlichen Amt für Kinderschutz, das nach der Revolution in Rumänien eingerichtet worden war. Damals streunten Tausende Kinder auf den Straßen und Bahnhöfen herum, sie waren aus einem unmenschlichen System weggelaufen. Die kommunistischen Heime hatten Hunderte Kinder untergebracht, in großen Schlafsälen. Die wenigen „Aufseher“ waren überfordert und setzten grausame Strafen ein. Gewalt, Misshandlung, Angst waren der Alltag, von dem uns die Kinder erzählten. Wir nahmen die Straßenkinder auf, zuerst in ein Sozialzentrum und dann in Kinderhäusern. Hier konnten acht Kinder wie in einer Familie aufwachsen, mit Erziehern, die mit ihnen lebten. Nun kamen regelmäßig die Damen vom Kinderschutzamt, um unsere Einrichtungen zu überprüfen. Die Listen unserer „Vergehen“ waren immer lang: fehlende Schuhmatte gegen Vogelgrippe, Besteck nicht mit Chlor desinfiziert, keine getrennten Kühlschränke für Fleisch, Eier, Gemüse und Milchprodukte. Man lernte, sich mit Tricks zu behelfen, indem ein Kühlschrank zwei Türen hatte. Dann wurden bauliche Maßnahmen gefordert, die Waschküche musste einen getrennten Ein- und Ausgang haben. Eigene Bäder für Mädchen, Buben, Erzieher und Erzieherinnen. Wir wunderten uns: Die Sanitär- und Küchenkomplexe sollten größer als der Wohnbereich sein? So ist das Gesetz, lautete die Antwort der strengen Damen, die immer noch die Unterlagen von den früheren Zeiten in der Hand hatten, also für Heime für über hundert Kinder. Daran war nichts zu rütteln. Doch wir blieben bei unserem Modell des Familienhauses und kämpften um möglichst geringe Strafen.
Langsam aber wandelte sich die Einstellung einiger Behörden. Sie stellten fest, dass unsere Kinderhäuser mit der Idee, wie in einer Familie zu leben, gar nicht so schlecht waren. Sie suchten sogar Rat bei uns und errichteten selbst Kinderhäuser im neuen Stil. Es dauerte Jahre, bis das Modell „Kinderhaus Typ Familie“ im Gesetz verankert wurde. Heute sind alle froh über den Fortschritt in der Kinderbetreuung. Noch ist allerdings viel zu tun, bis in den staatlichen Sozialeinrichtungen ein liebevoller Geist weht und die Kontrollen dem Schutz der Kinder dienen.

Seit der Revolution geht Rumänien wie Abram den weiten Weg in ein neues Land. Die alten Kommunisten sterben aus, die Jungen denken europäisch, was sie allerdings oft ins Ausland zieht. Im Land aber ist nicht nur die westliche Wirtschaft eingezogen, sondern auch ein neues soziales System. Mit den europäischen Gesetzen erstarkt der Mut, den verwahrlosten Familien zu helfen und die Kinder zu schützen. In unserem Kinderhaus Ilie in Hosman haben zwölf Kinder, die ausgestoßen waren, eine neue Geborgenheit gefunden. Sie sind im Dorf beheimatet. Wie ein neues Denkmal, das an die schwere Vergangenheit erinnert und den Mut zur Veränderung bezeugt.

Wo sind die Altäre der Hochschätzung des Menschen, selbst wenn er arm, auf der Flucht oder verwahrlost ist? Wo baust du an einem Heiligtum der Menschlichkeit mit?