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Wenn eine Sprache Monopolcharakter annimmt

Sind mein Denken und Reden eröffnend, befreiend oder eingrenzend, einengend?

Auf, steigen wir hinab und verwirren dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.
Gen 11,7

„Introibo ad altare Dei. Ad Deum, qui laetificat juventutem meam … Confiteor Deo omnipotente, mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa … Dominus vobiscum. Et cum Spiritu tuo.“ Das waren die ersten lateinischen Worte, die wir als sechsjährige Buben auswendig lernen mussten, um als Ministranten bei der Messe in der Kirche einen Dienst übernehmen zu können. „Abraham genuit Isaac. Isaac autem genuit Jacob … Initium Evangelii Jesu Christi Filii Dei … Factum est autem in diebus illis … In principio erat Verbum, et Verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum.“ Das waren die ersten lateinischen Worte – jeweils der Beginn der Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes –. die unser Pfarrer jährlich bei fünf Prozessionen an vier Altären im Dorf lautstark anstimmte, womit er der betenden bäuerlichen Dorfgemeinschaft das Tor zur Bibel öffnete. Begleitet waren sie von Salven aus Gewehren der Schützenkompanie und gewaltigen Böllerschüssen, die diese biblische Botschaft lautstark in die äußersten Winkel des Bergdorfes trugen und als Echo von den Bergen zurückhallten.

Später, im Theologiestudium, diente Latein zur Errichtung eines beeindruckenden katholischen Glaubensgebäudes, das von der Erde bis in den Himmel reichte. Fundament und tragende Pfeiler dieses stolzen Turmes waren die in dogmatische Worte gegossenen Glaubenswahrheiten. Sehr plakativ und vereinfachend gesagt: Auf Erden bedurfte der durch das „peccatum originale“ gezeichnete Mensch der Erlösung und Befreiung, die ihm der „consubstialiter“mit Gott lebende Jesus Christus eröffnete. Beispielhaft ging diesen Weg der Erlösung Jesu Mutter Maria aufgrund ihrer „immaculata conceptio“, ein Lebensweg, der schließlich mit ihrer „assumptio“ mit Leib und Seele in den Himmel gekrönt wurde. Diesen geheimnisvollen und rein aus Gnade geschenkten Weg des Glaubens, der Heilsicherheit und Rechtgläubigkeit verbürgt, allen Menschen zu eröffnen, sei die Sendung der „ecclesia catholica“.
Im Blick auf Gebet, Gottesdienst, Sakramente und Liturgie, die ja in besonderem Maße zur Vermittlung des Glaubens beitragen, war das ein Plädoyer für die lateinische Sprache. Papst Pius V. legte sie daher im Jahr 1570 als einzig offiziell erlaubte liturgische Sprache der Kirche verbindlich fest. Bei allem Wertvollen und Gutem, das dadurch geschah und entstand, der Gott der Bibel konnte – um es mit dem biblischen Bild auszudrücken – nicht tatenlos zusehen, wie die katholische Liturgie im Laufe der Jahrhunderte einseitig, elitär, exklusiv, machthungrig, hochmütig, weltfern und abgehoben wurde und vielen Menschen, die des Lateins nicht mächtig waren, den Zugang zu ihm und das Leben mit ihm verbauten. Er sandte Engel – und Engel sind in der Bibel immer Menschen –, um das Monopol der lateinischen Sprache zu brechen und Liturgie, Gottesdienst und sakramentale Vollzüge, das Glaubensleben insgesamt wieder mehr zu erden. Die Versammelten des Zweiten Vatikanischen Konzils taten es. Ein Wandel mit neuen Herausforderungen.

Sind mein Denken und Reden eröffnend, befreiend oder eingrenzend, einengend?